Künstliche Intelligenz krempelt den Arbeitsmarkt spürbar um – aber nicht durch massenhaften Jobabbau, sondern durch die schrittweise Übernahme einzelner Tätigkeiten. Laut einer neuen Microsoft-Studie zu KI in der Arbeitswelt sind vor allem Berufe betroffen, die auf Informationsverarbeitung, Kommunikation oder Textproduktion basieren. Dazu zählen Übersetzer, Vertriebsmitarbeiter, Autoren oder Historiker. Die Studie basiert auf der Analyse von rund 200.000 anonymisierten Copilot-Konversationen und korreliert diese mit Daten aus der US-Berufedatenbank O*NET.
Auch eine Analyse von Business Insider über KI-Risiken für Wissensarbeiter kommt zum Schluss: Generative KI wirkt sich vor allem auf Tätigkeiten aus, die auf Recherche, Schreiben und Routinekommunikation basieren. Die Veränderungen treffen vor allem Berufsbilder, in denen Sprache und strukturierte Informationen im Zentrum stehen – und das sind oft nicht technische, sondern zwischenmenschliche und kreative Rollen.
Inhalt
Diese Berufe sind laut Microsoft am stärksten betroffen
Dolmetscher und Übersetzer
Mit dem höchsten „AI applicability score“ von 0,49 stehen Dolmetscher und Übersetzer an erster Stelle. Tätigkeiten wie einfache Textübersetzung, Sprachumschaltung in Echtzeit oder das Transkribieren automatisierter Gespräche lassen sich durch KI bereits sehr effizient umsetzen.
Historiker
Dicht dahinter rangieren Historiker. Auch hier ist der KI-Einfluss auf Aufgaben wie Quellenanalyse, Texterstellung oder Datenstrukturierung groß. KI kann umfangreiche Archivdaten durchsuchen, Muster erkennen oder sogar Zusammenfassungen generieren.
Vertriebsmitarbeiter
Vertriebsjobs sind stark betroffen, weil viele Aufgaben – etwa das Erstellen von E-Mails, Angeboten oder Gesprächsleitfäden – mit KI-Unterstützung deutlich schneller gehen. Gleichzeitig steigt der Druck, kreativer und individueller mit Kunden zu kommunizieren.
Autoren und Redakteure
Autor:innen sehen sich mit der wachsenden Fähigkeit von Sprachmodellen konfrontiert, Artikel, Produktbeschreibungen oder Social-Media-Posts in Sekundenschnelle zu entwerfen. Trotzdem bleibt der menschliche Feinschliff entscheidend – etwa bei Tonalität, Storytelling und Emotionalität.
Kundendienst und Call-Center
Chatbots, automatisierte Antwortsysteme und Sprachdialogsysteme verändern das Berufsbild massiv. Standardisierte Anfragen können durch KI abgewickelt werden, während Mitarbeitende sich auf komplexe Fälle oder Eskalationen konzentrieren.
Was die Studie genau misst
Die Untersuchung basiert auf der Kombination von Microsofts KI-Interaktionen mit strukturierten Berufsprofilen. Daraus wurde ein „Overlap Score“ abgeleitet, der zeigt, wie stark Tätigkeiten eines Berufs mit Fähigkeiten heutiger KI-Systeme übereinstimmen. Je höher der Wert, desto größer ist das Potenzial für Automatisierung durch generative KI.
Wichtig: Der Score misst nicht den potenziellen Jobverlust, sondern die technische Überlappung zwischen Aufgaben und KI-Fähigkeiten. So kann ein Beruf wie „Flugbegleiter“ einen hohen Score erhalten, obwohl viele physische Aufgaben davon unberührt bleiben.
Berufe mit geringer KI-Beeinflussung
Am wenigsten betroffen sind Tätigkeiten mit starker körperlicher Komponente oder direkter Interaktion, etwa:
- Pflegeberufe
- Bau- und Handwerksberufe
- Fahrer, Logistiker, Zusteller
- Gastronomiepersonal
- Erzieher und Sozialarbeiter
Diese Rollen basieren auf manuellen Fähigkeiten, Beweglichkeit, Empathie und intuitivem Handeln – alles Dinge, die aktuelle KI-Systeme nicht zuverlässig replizieren können.
Neue Chancen durch KI – und neue Anforderungen
Aufgaben verändern sich, nicht nur ganze Berufe
KI übernimmt keine Jobs „am Stück“, sondern entlastet in Teilbereichen – etwa bei der Informationsbeschaffung, dem Erstellen von Entwürfen oder der Datenstrukturierung. Dadurch verschieben sich Schwerpunkte innerhalb von Rollen: Menschen übernehmen Kontrolle, Bewertung, Ethik und Kreativität.
Weiterbildung wird zur Schlüsselressource
Laut einer Analyse bei Barron’s über KI-bedingte Jobveränderungen im Tech-Bereich, geraten auch vermeintlich technikfeste Berufe unter Druck – besonders Einstiegsjobs in der Softwareentwicklung oder im Marketing. Wer heute Code nur auf Basis einfacher Muster schreibt, konkurriert bereits mit KI-Systemen, die dies schneller erledigen.
Arbeitsorganisation wandelt sich
Viele Unternehmen führen hybride Modelle ein, bei denen Mensch und Maschine gemeinsam arbeiten. Es entstehen neue Rollenprofile wie „AI Content Reviewer“, „Prompt Engineer“ oder „KI-Ethikberater“. Damit verschiebt sich der Fokus: Vom reinen Ausführen hin zum Überwachen, Optimieren und Verstehen von KI-Prozessen.
Herausforderungen: Automatisierung, Kontrolle, Verantwortung
Risiko der Abhängigkeit
Je stärker Unternehmen auf KI setzen, desto größer wird die Gefahr, sich auf automatisierte Prozesse zu verlassen – selbst in sensiblen Bereichen wie HR, Medizin oder Bildung. Das erfordert neue Kompetenzen zur Bewertung von KI-Ausgaben, damit Fehler frühzeitig erkannt und korrigiert werden.
Fehlende Transparenz und Kontrolle
Aktuelle Sprachmodelle arbeiten auf Grundlage großer Datenmengen, sind aber oft nicht nachvollziehbar in ihren Entscheidungen. Das erschwert vor allem in regulierten Berufen – etwa im Finanz- oder Rechtswesen – den Einsatz im Alltag.
Soziale Folgen und Jobverlagerung
Automatisierung kann besonders Menschen in prekären oder mittleren Einkommensgruppen treffen. Wenn administrative oder einfache kognitive Tätigkeiten wegfallen, drohen Einkommensverluste, soziale Unsicherheit und regionale Ungleichheiten.
Mein persönlicher Blick: Was ich beobachte
Als jemand, der selbst täglich mit KI arbeitet, sehe ich das Spannungsfeld sehr deutlich: Auf der einen Seite ermöglicht mir ein KI-Tool, in wenigen Sekunden eine Gliederung für diesen Artikel zu entwerfen. Auf der anderen Seite ist es die menschliche Stimme, Erfahrung und Auswahl der Quellen, die daraus einen echten Mehrwert machen.
Auch Kolleg:innen berichten, dass sie mehr Zeit für komplexe oder kreative Aufgaben gewinnen – weil KI ihnen lästige Routinearbeiten abnimmt. Aber: Wer die KI einfach „blind laufen lässt“, liefert oft generische Inhalte oder verpasst wichtige Kontexte.
Was wir jetzt tun sollten
Für Beschäftigte:
- Neue Tools lernen: Von KI-gestützter Textverarbeitung über Grafiktools bis hin zu Coding-Assistenten
- Den eigenen Beruf hinterfragen: Was kann automatisiert werden? Was bleibt menschlich?
- Stärken ausbauen: Soft Skills, Urteilsvermögen, Originalität
Für Unternehmen:
- Transparenz bei KI-Einsatz schaffen
- Weiterbildungen anbieten
- Neue Rollenprofile schaffen, nicht nur abbauen
Für die Politik:
- Sozial verträgliche Übergänge begleiten
- Bildung und digitale Grundkompetenzen fördern
- Arbeitsrechtliche Fragen rund um KI klären
Fazit
Künstliche Intelligenz ist kein Schreckgespenst – aber ein mächtiger Wandelmotor. Die Microsoft-Studie zu KI-Überlappung mit Berufen zeigt: Tätigkeiten in Vertrieb, Kundenservice, Textproduktion oder Analyse stehen am stärksten unter Einfluss. Doch statt komplette Jobs zu ersetzen, verändert die Technologie Aufgabenprofile – oft zum Besseren, manchmal mit Risiken.
Entscheidend wird sein, wie wir als Gesellschaft, Unternehmen und Einzelpersonen mit diesem Wandel umgehen. Wer KI als Werkzeug begreift, nicht als Gegner, wird auch in einer automatisierten Zukunft erfolgreich sein.
