In einem Meilenstein der modernen Quantenforschung haben Wissenschaftler von Boston University, UC Berkeley und Northwestern University den ersten elektronisch-photonischen Quantenchip aus kommerzieller Fertigung vorgestellt. Dieser Chip kombiniert photonische Quantenlichtquellen mit integrierten Steuer- und Stabilisierungsschaltkreisen – und das auf einer Fläche von nur 1 mm². Besonders revolutionär ist dabei die Tatsache, dass der gesamte Herstellungsprozess im 45 nm-CMOS-Verfahren in einer industriellen Foundry realisiert wurde – eine Entwicklung, die den Weg für skalierbare Quantenhardware ebnet (elektronisch-photonischer Quantenchip in industrieller Fertigung).
Bereits in der Studie, veröffentlicht in Nature Electronics, wird klar, wie grundlegend diese Innovation ist: Zum ersten Mal konnten Quantenlichtquellen inklusive Steuermechanismen vollständig integriert und temperaturstabil auf einem kommerziell gefertigten Chip betrieben werden – ein echter Durchbruch in der Photonik‑Quantenintegration mit CMOS-Technologie.
Inhalt
Photonische Quantenchips: Grundlagen und Herausforderungen
Photonische Quantencomputer basieren auf der kontrollierten Erzeugung und Manipulation einzelner Lichtteilchen (Photonen), die als Qubits für Quanteninformation dienen. Diese Photonen entstehen in speziell designten Mikroring-Resonatoren durch einen Prozess namens Spontane Four-Wave-Mischung. Der große Vorteil: Photonische Systeme funktionieren bei Raumtemperatur und lassen sich ideal in Glasfaserkommunikation integrieren.
Ein zentrales Problem bisheriger Designs war jedoch die extreme Empfindlichkeit der Lichtquellen gegenüber Temperaturveränderungen und Fertigungsschwankungen. Ohne aktive Regelung drifteten die optischen Resonanzen – mit fatalen Folgen für die Quantenkohärenz. Die Innovation besteht nun darin, dass dieser neue Chip vollständig integrierte photonische Quantenquellen mit Echtzeitregelung aufweist, ohne auf externe Systeme angewiesen zu sein.
Revolutionäre Architektur: Monolithische Integration auf Silizium
Photonische Quantenlichtquellen auf dem Chip
Die Forscher setzten auf Mikroring-Resonatoren, winzige ringförmige Wellenleiterstrukturen, in denen Laserlicht durch nichtlineare Effekte Paarphotonen erzeugt. Diese Quellen befinden sich gemeinsam mit Steuerdioden, Heizelementen und Feedbacklogik direkt auf demselben Stück Silizium.
Das Besondere: Jede dieser Quellen wird durch eine integrierte Photodiode überwacht. Temperaturdrift wird durch Mikroheizer automatisch kompensiert. Damit funktioniert die Quelle temperaturstabil und skalierbar, was die Herstellung vieler Quellen auf einem einzigen Chip möglich macht – ein entscheidender Schritt hin zu einem scalierbaren photonischen Quantenchip mit integrierter Regelung.
CMOS-Prozess für industrielle Massenfertigung
Erstmals wurde ein solch komplexer Quantenchip in einem standardisierten CMOS-Prozess (45 nm-Technologie) gefertigt. Das bedeutet: Die Herstellung erfolgte nicht in einem universitären Speziallabor, sondern in einer industriellen Foundry – exakt wie bei klassischen Mikroprozessoren. Damit ist der Weg frei für eine Quantenlicht-Fabrik im industriellen Maßstab, die zuverlässig und wiederholbar produzieren kann.
Bedeutung für Quantencomputer, Kommunikation und Sensorik
Einstieg in massenproduzierbare Quantenhardware
Mit der vollständigen CMOS-Integration ist es nun möglich, photonische Quantenquellen in hoher Stückzahl zu produzieren – kostengünstig, kompakt und kompatibel mit bestehenden Fertigungsprozessen. Dieser Schritt bringt das Ziel näher, photonische Qubits als serienfähige Komponenten für skalierbare Quantencomputer zu etablieren.
Vernetzte photonische Quantenrechner
Photonen sind ideale Träger für vernetzte Quantenrechner, da sie sich problemlos über Glasfasern übertragen lassen. In Kombination mit aktiver Stabilisierung auf dem Chip lassen sich mit dieser Technologie künftig robuste Quantenkommunikationssysteme aufbauen.
Technische Highlights im Überblick
- Chipgröße: 1 × 1 mm², gefertigt in GlobalFoundries CMOS-Foundry.
- Photonenquellen: Bis zu 12 integrierte Mikrorings, selektiv kontrollierbar.
- Photonenpaar-Qualität: Hohe Korrelation (CAR = 134), g²(0) < 0,03, effiziente Erzeugung von über 100 kHz Paaren bei externem Detektor.
- Regelung: Photodioden messen optische Resonanzverschiebung; Heizelemente kompensieren in Echtzeit.
- Energieeffizienz: Komplexe Feedbacklogik arbeitet mit weniger als 10 mW Leistungsaufnahme.
Diese Daten unterstreichen die Leistungsfähigkeit des vollständig integrierten photonisch-elektronischen CMOS-Chips für Quantenanwendungen.
Wer steckt dahinter? Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Hinter diesem Erfolg stehen Expertenteams aus mehreren Disziplinen:
- Boston University (BU): Leitung des Photonikdesigns und Koordination mit der Foundry (Miloš Popović, Imbert Wang).
- UC Berkeley: Integration elektronischer Subsysteme (Danielius Kramnik).
- Northwestern University: Charakterisierung der Quantenquellen und Versuchsaufbau (Prem Kumar, Anirudh Ramesh).
- GlobalFoundries & Ayar Labs: Industrielle Umsetzung der Fertigung.
Diese multidisziplinäre Zusammenarbeit ermöglichte einen Chip, der Photonik, Elektronik und Quantenoptik auf engstem Raum kombiniert – und das mit industrieller Reproduzierbarkeit.
Der Blick nach vorn: Anwendungspotenzial
Quantenkommunikation
Photonische Qubits eignen sich ideal für langstreckensichere Kommunikation, etwa für Quanten-Schlüsselverteilung (QKD) oder quantensichere Netzwerke. Die Stabilität und Massentauglichkeit dieser neuen Chips schafft eine praktikable Grundlage für echte Infrastrukturen.
Quantensensorik
Mit Hilfe von photonischen Zuständen lassen sich kleinste Änderungen in Magnetfeldern, Gravitation oder Umweltbedingungen erkennen. Der Chip könnte als plattformunabhängige Sensoreinheit in der Medizin, Navigation oder Klimaforschung Anwendung finden.
Photonische Quantencomputer
Langfristig könnten Chips wie dieser als skalierbare Rechenknoten in photonischen Quantenprozessoren dienen. Durch ihre CMOS-Kompatibilität lassen sie sich mit klassischen elektronischen Logikbausteinen kombinieren – die Grundlage für hybride Systeme aus klassischen und Quantenprozessoren.
Fazit: Ein Meilenstein der Quantenintegration
Mit der ersten vollständigen Integration von photonischen Quantenquellen und elektronischer Steuerung in einem industriell gefertigten Chip ist ein zentraler Knotenpunkt auf dem Weg zu praktischer Quantenhardware erreicht. Der monolithische Aufbau, die Temperaturanpassung und die Kompatibilität mit Standard-CMOS-Technologie machen diesen Chip zu einem Vorläufer kommender Quantengeräte – vom Sensor über den Kommunikationsknoten bis hin zum Quantenrechner.
Die Kombination aus hoher Funktionalität, Miniaturisierung und Skalierbarkeit lässt keinen Zweifel: Dies ist nicht nur ein wissenschaftlicher Erfolg, sondern auch ein technologischer Durchbruch, der den nächsten Schritt in die Quanten-Zukunft einleitet.
